Rezension von Giorgia Sogos
Das Thema „Migration“ steht heutzutage vor allem als soziale Frage im Brennpunkt der politischen Debatten sowie der Forschung. Neben den politischen, ökonomischen und sozialen Folgen betrifft die Migration aber zunächst den Mensch und seine Geschichte.
Als entscheidender Bestandteil der menschlichen Erfahrung erzeugt dieses ständig wachsende Phänomen infolgedessen Auswirkungen auf die Psyche. In dieser Hinsicht hat sich sowohl die Fachliteratur, als auch die Psychoanalyse selbst damit intensiver beschäftigt. „Migration“ wird dann nicht nur als äußerer, sondern auch als sehr komplex innerer Prozess behandelt. So wird dieses Phänomen mit dem Begriff von „Trauma“ oft verbunden: Die Immigration kann tatsächlich traumatische Elementen im Leben des Menschen implizieren oder sogar immanente frühere traumatische Erlebnisse weiter verstärken. Jedoch lässt sich die Erfahrung in der Fremde dank der Psychoanalyse als wirksamen Hilfsmittel enthüllen.
Im Rahmen der analytischen Arbeit wird es in den Beiträgen von PsychiaterInnen, PsychoanalytikerInnen sowie PsychoterapeutInnen versucht, die Psychoanalyse selbst als moderne Disziplin zu präsentieren, die sich „in der Welt globaler Migrationsbewegung“ platziert und den Migrant mit seinem komplexen Migrationsschicksal in Betracht zieht. Im Sinne einer „Überwindung“ des freudianischen Credos, das auf das Primat der sogenannten „inneren Welt“ basiert, spielt neben der Untersuchung der subjektiven Erlebnisse die Rekonstruktion des sozialen, historischen und kulturellen Kontexts einzelner Patienten eine wichtige Rolle für den therapeutischen Erfolg.
Die AutorInnen beschreiben klinische Fallgeschichten von Einwanderern der ersten und zweiten Generation, die aus verschiedenen Herkunftsländern kommen. Anhand der Erläuterung der spezifischen sowie entsprechenden psychoanalytischen Behandlungstechniken wird es hier festgestellt, wie trotz der Ungleichartigkeit des kulturellen Hintergrunds die Erfahrungen der Migranten vergleichbar sind. Daher zeigt sich die Emigration in der Fremde, einerseits als Gelegenheit, sich selbst besser kennenzulernen. Die psychoanalytische Arbeit wirkt anderseits mit, verschlossene psychische Dimensionen aufzumachen und das „alte Objekt“ – die Vergangenheit – mit dem „neuen Objekt“ – der Zukunft (im Sinne Jay Greenbergs Theorie) – zu integrieren.
Hediaty Utari-Witt, Ilany Kogan (Hg.): Unterwegs in der Fremde. Psychoanalytische Erkundungen zur Migration. Psychosozial-Verlag, Gießen 2015
ISBN: 978-3-8379-2517-3
(Hier veröffentlicht am 22.2.2016)