Rezensionen

Alpan Sagsöz: Als wir Libellen waren

Als_wir_Libellen_waren

Eine Rezension von J. Michael Fischell

Der Bonner Autor Alpan Sagsöz hat mir mit seinem aktuellen Roman „Als wir Libellen waren“ Stunden nicht nachlassender Neugier, der Nachdenklichkeit und der Einsicht geschenkt. Nur zu bekannt sind mir die Orte und Plätze des Romangeschehens in Bonn; noch bedeutsamer waren mir bei der Lektüre die Darstellung der inneren Welten und seelischen Konflikte der handelnden Personen. Ein Roman vermag dann zu fesseln, wenn der Autor es vermag, im Leser Selbstbefragung des Eigenen und Besinnung auf Wesentliches auszulösen. Dies ist Alpan Sagsöz überzeugend gelungen.
„Als wir Libellen waren“ ist die Geschichte Olivias, einer jungen Frau, deren Leben durch einen vergilbten Kontoauszug im Aktenordner ihres Stiefvaters eine jähe Wende nimmt. Sie erfährt, dass ihrer verstorbenen Mutter Anna Havenstedt in der Vergangenheit Unterhalt überwiesen wurde. Doch vom wem, wofür? Vor allem für wen, wenn nicht für sie, Olivia? Was bedeutet das alles? Kein Name, kein Hinweis hilft ihr weiter. Sie begibt sich auf einen verwirrenden Weg voller Fragezeichen bei der Suche nach ihrem Vater. Doch für sie, die die Wahrheit wissen willl, führt kein Weg daran vorbei. Das Tagebuch von Olivias Mutter wird ihr weiterhelfen. Doch erst ein Traum, in dem Libellen eine große Rolle spielen, wird das Rätsel der Vaterschaft lösen.
Es ist aber auch die Geschichte Aaron Jasswegs, des erfolgreichen Bonner Anwalts für Zivilrecht. Nur scheinbar verläuft sein Leben ordentlich und klar wie sein stets akkurat aufgeräumter Schreibtisch. Doch zunehmend verspürt Jassweg eine bleierne Müdigkeit und Erschöpfung, stellt er Fragen nach der Sinnhaftigkeit und den Prioritäten in seinem Leben. Genau wie Olivia muss Jassweg erfahren, wie fragil die Realität sein kann, welche Überraschungen auf den Lebensweg warten.  Ein gesundheitlicher Zusammenbruch ist für Jassweg der Riss, der ihn endgültig zwingt, seinem Leben eine Wende zu geben, einen Neuanfang zu wagen. Wird es für ihn und auch für Olivia möglich sein, Platz und Zeit zu finden, spontan das Gewohnte zu verlassen, im Spiel des Lebens neue Ziele zu würfeln und den Vorhang für ein neues Leben zu heben?
Karlo, der liebevolle Stiefvater von Olivia, fasst die Essenz der Sinnhaftigkeit eines Lebensweges in seiner Predigt prägnant zusammen:»Ich glaube, dass viele von uns mit den Jahren in der Sicherheit eines sozusagen `geradlinigen` Lebens zu wahren Zombies werden können. Das Wesen, die Seele wird zersetzt, der Körper ist nur noch eine leere Hülle. Dann werden wir zynisch, erst ein wenig und dann immer mehr. Und wissen nicht, warum, wir haben doch ein Kind, eine Frau, ein Haus und ein gutes Aktienpaket. Der wahre Beruf des Menschen ist zu sich selbst zu kommen…“
Alpan Sagsöz Roman lädt den aufmerksamen Leser zu einer Reflexion auch der eigenen Biografie, persönlicher (Lebens-) Erfahrungen und zu Fragen nach der eigenen Identität und Berufung ein. Er verbindet Sinnfragen mit einem Geschehen, das den Leser bis zuletzt nach der Lösung und Ausgang der Geschichte in Spannung hält. Und bei aller Wichtigkeit der alltäglichen Verpflichtungen, bei unserem hektischen Drang um unser Dasein auf der Welt zu legitimieren, „vergessen wir zu oft die kleinen Dinge direkt um uns“.

Als wir Libellen waren, Schruf & Stipetic, Berlin 2015
ISBN: 978-3-944359-09-0

(Hier veröffentlicht am 21.9.2015)

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