24.04.1915 – 24.04.2015
Gedicht von Hıdır Eren Çelik
Seit einem Jahrhundert bin ich auf der Suche nach meiner geraubten Ehre.
Ich habe meine Stimme verloren vor der Grausamkeit der Sultanen,
ich singe nur noch die Klagelieder,
meine Kinder sind fort,
in die weite Welt gezogen, zerstreut wie ein Weizenkorn auf der Erde.
Mandelbäume und Granatäpfel schmückten unsere Gärten mit ihren rosaroten Blüten,
sie werden nicht mehr erblühen, bis wir zurück sind
meine Mütter sind bestialisch ermordet,
vergraben in den tiefen Schluchten von Anatolien
meine Väter durch tausendeins Kugeln erschossen, ohne Gnade
verdurstet war ich auf der Flucht mit meinen Brüdern und Schwestern
wir suchten uns eine Heimat im Exil.
Ich wurde verjagt aus meinem Land, in dem tausendeins Rosen dufteten
Ich bin auf der Suche nach der Gerechtigkeit
gib mir meine Stimme zurück
gib mir meine Ehre zurück, die Du mir weggenommen,
gestohlen und geraubt hast.
Es ist keine Bitte,
Es ist keine Rache,
Es ist die Gerechtigkeit, die ich von Dir verlange.
Es ist auch Deine Geschichte, Deine Vergangenheit, in der Deine Vorfahren diese Barbarei begangen haben.
Wenn Du in Deiner Brust ein Stück menschliche Wärme bewahrst,
lass uns gemeinsam die Geschichte neu schreiben, damit so was nie wieder passiert!
Ich warte seit einem Jahrhundert auf Deine menschliche Stimme, die Dir ein Gesicht gibt, verweigere Deinen Kindern die Zukunft nicht!
Auch Deine Kinder brauchen eine Geschichte, in der sie in unsere Augen schauen, ohne Reue,
verleihe denen den Mut, damit sie zu ihrer Geschichte stehen!
Unsere Geschichte haben wir an die Mauern der verbrannten Häuser graviert, damit sie der Zeit standhält.
(23.4.2015)
Migrapolis Deutschland