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Benefizveranstaltung und Appell an die Flüchtlingspolitik

Lutherkirche_Koeln

Bericht von Helga Fitzner

„Kölner Aktionsbündnis #türauf zugunsten der Kölner Flüchtlingshilfe“ war der lange, aber informative Titel einer Benefizmatinee, die das Elend der Flüchtlinge in den Blick rückte.

Hans Mörtter, der Pfarrer der Lutherkirche in der Kölner Südstadt, fasste vor rund anderthalb Jahren den Plan, im Rahmen einer Benefizveranstaltung Gäste aus Kultur und aus Nicht-Regierungsorganisationen einzuladen. Der umtriebige Geistliche ist nicht der einzige, der sich in seinem Einsatz für Flüchtlinge von der Politik allein gelassen fühlt und deshalb brauchte er nur wenig Überzeugungsarbeit zu leisten. Der Intendant Louwrens Langevoort stellte die Kölner Philharmonie als Veranstaltungsort zur Verfügung und die Liste der ehrenamtlich Teilnehmenden nahm beachtliche Ausmaße an.
Bettina Böttinger stellte sich als Moderatorin zur Verfügung, und am 28. Juni 2015 war es dann soweit. Das Gürzenich-Orchester spielte unter der Leitung von Will Humburg u. a. die Ouvertüre von Rossinis Oper über den Schweizer Freiheitshelden „Wilhelm Tell“ und Auszüge aus Verdis „Macbeth“, angelehnt an Shakespeares Drama über den gleichnamigen Tyrannen. Der Chor der Oper Köln unter der Leitung von Andrew Ollivant sorgte für Gänsehaut, vor allem beim Nabucco-Gefangenchor von Verdi.
Weiterhin spielten und sangen die Blues-Legende Richard Bargel, die kölsche Rockröhre Inge Sagemüller mit eigener Band, Mariana Sadowska, die traditionelle ukrainische Weisen vortrug, und der Iraker Bassem Hawar spielte auf dem arabischen Saiteninstrument Djoze. Die Schauspielerin Svenja Wasser las aus „Gestrandet“ von Youssouf Amine Elalamy und der Autor Frank Schätzing aus „Das Meer am Morgen“ von Margaret Mazzantini. Hans Mörtter hatte die Texte mit großem Bedacht ausgesucht, sie handelten von Flucht, Verlust und vom Sterben und brachten dem Publikum die Misere der Flüchtlinge sehr nahe.
Monika Hauser, die Gründerin der Frauenrechtsorganisation medica mondiale, ist Frauenärztin und berichtete von sexualisierter Kriegsgewalt, deren Frauen auf der Flucht und Vertreibung oft ausgesetzt sind. Der überwiegende Teil der rund 60 Millionen Flüchtlinge in der Welt sind Frauen, von denen viele sich zusätzlich noch um Kinder und Gebrechliche kümmern. Denen müsste eigentlich, wenn sie zu den wenigen Flüchtlingen gehören, die es z. B. nach Deutschland geschafft haben, besondere Betreuung zukommen. Das ist aber nicht so. Monika Hauser erzählte, dass medica mondiale im Nord-Irak Personal für psychosoziale Betreuung ausbilden kann. In Deutschland hat die Organisation das bislang nicht durchsetzen können.
Elias Bierdel von borderline-europe kritisierte die europäische Gesetzgebung, die u. a. verbietet, dass man innerhalb der EU Flüchtlinge in Bus oder Auto mitnehmen darf. Hier kann man sich für eine menschliche Tat strafbar machen. Elias Bierdel lebt einige Zeit des Jahres auf der griechischen Insel Lesbos. Dort kommt es vor, dass an einem Tag mehr Flüchtlinge an Land kommen, als ein Dorf Einwohner hat. Trotzdem versuchen viele der griechischen Einwohner zu helfen, wo sie können. „Als ob Griechenland nicht genug eigene Probleme hätte“, sprach Bettina Böttinger allen Anwesenden aus der Seele. Henriette Reker, die Beigeordnete für Soziales, Integration und Umwelt in Köln, gab zu, dass in Köln Wohnungsmangel herrscht. 1000 Menschen warteten noch auf eine Wohnung, weshalb sie einen Appell an Vermieter richtete, freie Wohnungen zu melden. Reker lobte das Engagement der Bürger und sagte, dass Köln eine hohe Integrationskraft habe. Eine schnelle Verbesserung der Zustände stellte sie nicht in Aussicht.
Gegen Schluss der Veranstaltung kam es zu einem Höhepunkt, den auch Nicht-Kölner gerne mitfeierten. Drei Mitglieder der Kölner Kultband Bläck Fööss traten auf und sangen den Refrain ihres Liedes „Unsere Stammbaum“. Darin geht es um Toleranz gegenüber Fremden, weil unsere Vorfahren ja selbst von den Römern, den Truppen des Napoleon und vielen anderen abstammen. Die Theaterpädagogin Gaby Falk hatte das Lied für einen Gottesdienst von Hans Mörtter auf Flüchtlinge umgetextet und die Menschen damit so bewegt, dass es zum musikalischen Finale der Benefizveranstaltung auserkoren wurde. Nun kennt die Begeisterung der Kölner für ihre „Bläck Fööss“ schon keine Grenzen, aber als diese und die Solisten der neuen Strophen vom Gürzenich-Orchester und dem Chor der Oper Köln begleitet wurden, bekam das Lied bombastische Ausmaße und löste Begeisterungsstürme aus.
Zum Schluss machte Hans Mörtter die Kölner Philharmonie zur Kanzel. Schließlich war es Sonntag. In einer „Brandrede“ appellierte er an Bundesinnenminister de Maizière, endlich tätig zu werden. Die Flüchtlingspolitik sei bewusst abschreckend. Das sei mit dem Grundrecht auf Menschenwürde nicht zu vereinbaren. Zu Mörtters Forderungen gehörten Krankenversicherung für Flüchtlinge, Deutsch-Kurse und Arbeitsmöglichkeiten, Dolmetscher, spielpädagogische Angebote für Kinder, Wohnungen und vieles mehr.
Insgesamt haben Hans Mörtter und alle Mitwirkenden auf und hinter der Bühne den ehrenamtlich Tätigen in der Flüchtlingshilfe den Rücken gestärkt. Die Einnahmen werden gute Verwendung finden. Es waren auch eine ganze Reihe von Flüchtlingen als Zuschauer eingeladen, für die die Benefizveranstaltung sicher eine Ermutigung sein dürfte.
Weitere Einzelheiten unter http://www.lutherkirche-koeln.de/philharmonie-konzert-fuer-fluechtlinge.aspx
Helga Fitzner ist Freie Journalistin und Redakteurin der Webseite der Lutherkirche

(Hier veröffentlicht am 30.6.2015)

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