Bericht von Helene Schüffelchen
Am Dienstag, den 09.06.2015 fand der zweite Teil der, in Zusammenarbeit zwischen dem Bonner Netzwerk weltoffen und der EMFA, durchgeführten Flüchtlingspolitischen Werkstatt im MIGRApolis-Haus der Vielfalt statt.
Nachdem beim letzten Treffen die Wohnsituation von Flüchtlingen in Bonn im Fokus stand, wurden diesmal die Bildungschancen von Flüchtlingskindern thematisiert. Gesprochen wurde über den Zugang zur Bildung sowie die aktuellen Probleme und Chancen der Integration von Flüchtlingskindern in Bonn.
Zunächst berichteten drei Referentinnen von ihren Erfahrungen im Bereich der Bildung von Flüchtlingskindern. So berichtete zunächst Sybille Clement, Schulleiterin der Jahnschule in Bonn, von ihren eigenen Erfahrungen aus dem Schulalltag. Sie erzählte, dass in den letzten Jahren verstärkt Flüchtlingskinder aus dem Iran, Irak und Syrien ohne Deutschkenntnisse auf Bonner Schulen verteilt würden. Eine besondere Herausforderung sei dabei, dass diese Kinder zu jedem Zeitpunkt an die Schulen kämen und sich die Klassen also immer wieder neu zusammensetzen würden. Dazu verfügen sie über sehr unterschiedliche Hintergründe, sowohl familiär als auch in Bezug auf ihre schulische Bildung. Auch die psychische Verfassung variiere sehr stark. Durch das Erleben von Krieg, Tod und Verlust haben sich bei etlichen Kindern Traumata entwickelt.
Für die Referentin stellt sich damit ein breites Spektrum an notwendigem Hilfebedarf. Neben mehr zusätzlichem Deutschunterricht forderte sie eine Anlaufstelle für die Unterbringung der Flüchtlingskinder in Schulen. Ebenfalls wichtig wäre die Schaffung von Fahrgelegenheiten für die Flüchtlingskinder zur Schule, deren Zuordnung zu Schulen ohne Berücksichtigung der Entfernung geschehe. Zudem sei auch die Unterbringung der Eltern in Deutschkursen sehr wichtig sowie die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer psychotherapeutischen Behandlung in der Muttersprache.
Amelie Bek, die als zweite Referentin das Wort hatte, ist Lehrerin an einer Hauptschule in Bonn. Sie gibt Sprachunterricht in Vorbereitungsklassen für eingewanderte Kinder. Auch sie griff die Problematiken der neuen Einwanderungswellen, der kriegstraumatisierten Kinder und sich ständig ändernden Klassenzusammensetzungen auf. Sie erklärte, dass es Anfänger- und Fortgeschrittenenkurse gäbe sowie Alphabetisierungsklassen, in denen besonders arabischen Kindern die deutsche Schrift beigebracht würden. Die Gruppen seien hier nach Fähigkeiten und Lerneigenschaften der Schüler eingeteilt, das Alter der Kinder in einer Klasse variiere dagegen stark.
Problematisch sei die Verteilung der Kinder auf die unterschiedlichen Schulformen nach der Absolvierung der angesprochenen Kurse. Die Zuordnung der Kinder auf die weiterführenden Schulen sei nicht nur grundsätzlich schwer, sondern gestalte sich besonders schwierig, wenn es um die Aufnahme auf ein Gymnasium ginge. Die dort geforderte zweite Fremdsprache (neben Englisch und in diesen Fällen Deutsch) sei häufig nicht vorhanden. Je nach Schule bzw. Stadt könne Englisch oder die Muttersprache als Ersatzprüfungsfach gewählt werden. Hierzu gäbe es jedoch unterschiedliche Regelungen, die keine klare Aussage in dieser Thematik zulassen.
Die dritte Referentin Christa Feld ist gelernte Grundschullehrerin, derzeitig in der Migrantenarbeit engagiert und gibt Sprachkurse. Sie sprach an, dass auch Lehrer Unterstützung für das Unterrichten von Migrantenkindern benötigen. Nicht nur, dass zu wenig Stellen geschaffen würden, die zur Bewältigung der ständig steigenden Zahl an Flüchtlingskindern nötig wären, auch mangelt es an einer adäquaten Ausbildung der Lehrer für Deutsch als Zweitsprache (DaZ).
Sehr wichtig war der Referentin die Weiterbildung der Eltern der Flüchtlingskinder. Da Mütter Bildungsträger und Vorbilder seien, sei es besonders wichtig, dass auch sie Deutsch lernten und sich weiterbilden würden. Gerade dieser Aspekt führte zu einer hitzigen Diskussion zwischen den Referentinnen und dem Publikum. In dem Punkt, dass mehr Stellen geschaffen werden und sich die Wartezeit auf einen Schulplatz in einer Regelschule verkürzen müssten, waren sich hingegen alle einig.
Im Anschluss an die Vorträge folgte eine Arbeit in Kleingruppen. Die interessierten Besucher, die sich zu drei Gruppen formierten, erhielten jeweils zwei Plakate, auf denen die erarbeiteten Folgerungen und Forderungen festgehalten werden sollten. Zunächst standen besonders das Kennenlernen der anderen Gruppenmitglieder sowie der Erfahrungsaustausch im Vordergrund. Es zeigte sich, dass viele gekommen waren, die selbst in der Flüchtlingsarbeit tätig sind bzw. gerne ehrenamtlich tätig werden möchten. Schnell kamen daher auch die Fragen auf, wie man sich ehrenamtlich in Schulen bzw. im Sprachunterricht engagieren kann und wie es mit der Qualifizierung der Ehrenamtlichen aussieht. Die Präsentation der Ergebnisse der einzelnen Gruppen offenbarte Überschneidungen bzw. ähnliche Forderungen. Qualifizierungsangebote für Ehrenamtliche, Erhöhung bzw. Einführung des Angebots an Vorbereitungs-/Förderklassen vor allem auch in Gymnasien, stärkere Vernetzung zwischen Lehrern und Ehrenamtlichen und Initiativen sowie mehr Unterstützung durch die Politik gehörten zu den Forderungen, die nun an zuständige Einrichtungen weitergeleitet werden sollen.
Der Abend hat gezeigt, dass noch viel Verbesserungsbedarf besteht, nicht nur hinsichtlich der Strukturen, sondern auch in Bezug auf die Vernetzung und Informationen für Ehrenamtliche. Denn zugleich scheint es ein recht großes Angebot an motivierten Ehrenamtlichen zu geben, das genutzt werden könnte. Bezüglich der Qualifizierung von Ehrenamtlichen ist AsA (Ausbildung statt Abschiebung) eine mögliche Anlaufstelle.
(Hier veröffentlicht am 15.6.2015)