Rezension von Viktoria Malassa (Journalistin)
In den letzten Jahren sieht der Name Stefan Zweig in Deutschland endlich ein neues Licht. Er erlebt genauer eine Phase der Wiederentdeckung, die seinem literarischen Schaffen einen Sinn von Gerechtigkeit und Würde gibt. Diese Wende erweist sich neulich in der öffentlichen Meinung zum Beispiel mit dem Erscheinen des Films „Vor der Morgenröte. Stefan Zweig in Amerika“ (2016) dank der bekannten Regisseurin und Schauspielerin Maria Schrader. Durch die überzeugende Darstellung von Josef Hader, der die Rolle von Zweig spielte, hat der Film auch in Deutschland dazu beigetragen, Verständnis für das tragische Schicksal Zweigs zu wecken. Als unmittelbares Kommunikationsmittel wirkt die Filmkunst auf unser Gewissen und auf unsere Gefühle und ermöglicht uns, eine andere Wahrnehmung der Realität zu bekommen. Bei vielen deutschen SchülerInnen sind das Leben sowie die Werke Stefan Zweigs fast unbekannt. Nur manchmal erscheinen „Die Schachnovelle“ oder „Die Welt von gestern“ in den Schulprogrammen und werden als Pflichtlektüren wahrgenommen, ohne die Größe dieses Schriftstellers richtig zu verstehen.
Neben den wenigen Studien, die in Deutschland erschienen sind und seine Dichtkunst als Schwerpunkt haben, kommt die originelle und unermüdliche Forschungstätigkeit der italienischen promovierten Literaturwissenschaftlerin Dr. Giorgia Sogos heraus. Ihre Neugier und Leidenschaft für den österreichischen Schriftsteller mündet in die Veröffentlichung vieler Beiträge, die die analytische Sensibilität sowie die Sorgfalt dieser Autorin beweisen. Die Untersuchung von Frau Dr. phil. Sogos erweist sich aber vor allem als innovativ und antikonventionell, auf der Suche nach dem Unerforschten und Unbekannten. Ein konkretes Beispiel dazu ist ihre Monographie Le biografie di Stefan Zweig tra Geschichte und Psychologie / Stefan Zweigs Biographien zwischen Geschichte und Psychologie: Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam, Marie Antoinette, Maria Stuart (Firenze University Press, 2012), mit der Frau Dr. Sogos im Rahmen der Forschung über Stefan Zweig als Pionier bei der Analyse und kritische Behandlung Zweigs Biographien daraus resultiert.
Neben ihrem Beitrag Ein Europäer in Brasilien zwischen Vergangenheit und Gegenwart: utopische Projektionen des Exilanten Stefan Zweig (Frank & Timme Verlag, 2015), in dem sie Zweigs Wahrnehmung von Europa und Brasilien kritisch analysiert, präsentiert sich ihr neues Buch Stefan Zweig, der Kosmopolit: Studiensammlung über seine Werke und andere Beiträge. Eine kritische Analyse (Free Pen Verlag, 2017) als einen systematischen Versuch, neue Facetten Zweigs Werke und Leben ans Licht zu bringen: von dem wenig bekannten Theaterstück „Der Volpone“ und dem frühen Sammelband „Erstes Erlebnis. Vier Geschichten aus Kinderland“ bis zu der Behandlung über Zweigs Beziehungen zum Beispiel mit Emil Ludwig, Hans Carossa und Sigmund Freud. Auf diese Art und Weise unternimmt die Autorin eine Reise durch Zweigs unbekannte Welt aber im weiteren Sinne auch durch die Literatur vom 18. bis zum 20. Jahrhundert und setzt sich mit unerforschten Aspekten sowie Themen kritisch auseinander.
Der Begriff „Kosmopolit“, der im Titel in Zusammenhang mit Zweig erscheint, kann auch für dieselbe Autorin verwendet werden, die sich hier in verschiedenen Fremdsprachen frei bewegt. Das Buch wird bei dem renommierten Bonner Verlag – Free Pen – veröffentlicht, der das breite Thema Migration sowohl wissenschaftlich als auch fiktiv behandelt. Diese kosmopolitische Schriftstellerin war in der Lage, ihre Wurzeln in der deutschen Gesellschaft auszubreiten nicht nur auf der politischen Ebene als Mitglied des Integrationsrates der Bundesstadt Bonn, sondern auch auf der sozialen Ebene durch ihr Engagement zum Beispiel bei Amnesty International, dank auch ihrer Tätigkeit als Dozentin und Journalistin im Rahmen der Flüchtlingsfrage in NRW. Ein Beispiel daraus ist das Buch Flüchtlinge erzählen: „Weißt du, wer ich bin?“: Die bewegten Biografien Geflüchteter in unserer Stadt (Free Pen Verlag, 2017) in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Hidir Eren Çelik.
Zur Zeit verfasst sie ihr neues Buch Deutschland gestern und heute. Die Darstellung der Fremde in der Exil- und Migrationsliteratur im interkulturellen Kontext. Eine kritische vergleichende Analyse beim Bonner Institut für Migrationsforschung, in dem sie sich mit der deutschsprachigen Exil- und Migrationsliteratur in einer komparatistischen Modalität befasst. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht einerseits die fiktive Darstellung des Exils unbekannter deutschsprachiger SchriftstellerInnen im Ausland während der Nazizeit. Andererseits analysiert sie das Phänomen der Gastarbeiterliteratur durch die Romane der bulgarischen Schriftstellerin Rumjana Zacharieva und des Bonner Professor Dr. Hidir E. Çelik, dessen Tätigkeit als Politologe, Soziologe und Intellektueller sich in seinen Werken reflektiert.
Man kann so feststellen, wie der wissenschaftliche Beitrag von Frau Dr. Sogos sich nicht nur auf Stefan Zweig beschränkt. Er bezieht sich vielmehr auf eine transkulturelle Ebene, die dem kosmopolitischen Charakter dieser Schriftstellerin am besten beschreibt.
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