Erklärung des „Bonner Netzwerkes Flucht, Migration und Behinderung“ zum Weltflüchtlingstag 2021
Der Weltflüchtlingstag findet 2021 wie jedes Jahr am 20. Juni statt. In den letzten Jahren hat die Zahl geflüchteter Menschen traurige Höchststände erreicht, Millionen von Menschen waren und sind gezwungen, vor Gewalt und Verfolgung ihre Heimat zu verlassen.
Der Weltflüchtlingstag ist für uns, das „Bonner Netzwerk Flucht, Migration und Behinderung“, Anlass, auf notwendige Änderungsbedarfe an der Schnittstelle Flucht, Migration und Behinderung hinzuweisen.
In Bonn lebt eine wachsende Zahl von Geflüchteten / Zuwanderinnen und Zuwanderern mit Beeinträchtigungen / Behinderung(en) und gesundheitlichen Einschränkungen. Asylsuchende und geduldete Menschen mit Behinderung sind mit vielen Teilhabebarrieren konfrontiert. So ist ihr Zugang zu Teilhabe- und Rehabilitationsleistungen durch das Asylbewerberleistungsrecht in der Praxis eingeschränkt. Uns ist es ein wichtiges Anliegen, die gesellschaftliche und politische Teilhabe Zugewanderter und Geflüchteter mit Behinderung zu verbessern, ihnen mehr Teilhabe an Gesundheit, Prävention, Pflege zu ermöglichen. Inklusion, Teilhabe und Barrierefreiheit darf keine Frage des Aufenthaltstitels sein.
Wir sehen aktuell insbesondere folgende Handlungsbedarfe:
– Sprachförderangebote für zugewanderte Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung
Hinreichende Sprachkenntnisse sind die notwendige Grundlage für gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Teilhabe. Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung und kognitiver Beeinträchtigung benötigen für erfolgreichen Spracherwerb besondere Rahmenbedingungen, die im aktuellen Integrationskursangebot des Bundes nicht abgebildet werden. Durch das Fehlen solcher Angebote wird eine gelungene Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und an der Arbeitswelt verhindert. Es besteht also Handlungsbedarf in der Entwicklung bedarfsgerechter Sprachförderangebote für zugewanderte Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung.
– Identifizierung behinderungsspezifischer Schutzbedarfe geflüchteter Menschen
Die 16. Integrationsministerkonferenz (IntMK) am 29. April 2021 betonte, dass geflüchtete Menschen mit Behinderung einer besonderen Schutzbedürftigkeit unterliegen und einen entsprechenden Anspruch auf Versorgung im Rahmen der Erstaufnahmestrukturen haben. „Eine wesentliche Voraussetzung, um ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit gerecht zu werden, ist die systematische Identifizierung entsprechender Schutzbedarfe innerhalb der Erstaufnahmestrukturen.“, so die Konferenz. Aktuell findet diese Identifizierung behinderungsspezifischer Schutzbedarfe im Rahmen des Asylaufnahmeverfahrens, entgegen Deutschlands unionsrechtlicher Verpflichtung (EU-Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU, Art. 22), nicht systematisch statt. Bleiben Schutz- und Unterstützungsbedarfe jedoch unsichtbar, hat das massive Folgen und Auswirkungen auf diverse Ebenen, sei es Unterbringung, Infektionsschutz, Beschulung, Zugang zu notwendig medizinischen und Leistungen der Rehabilitation und Teilhabe u.a.
Wir befürworten daher die Empfehlung der IntMK an den Bund ein einheitliches Verfahren zur Identifizierung behinderungsspezifischer Schutz- und Unterstützungsbedarfe zu ermöglichen. Die notwendige Identifizierung besonderer Schutz- und Unterstützungsbedarfe geflüchteter Menschen mit Behinderung darf nicht dem Zufall überlassen werden.
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Mit freundliche Grüßen
i. A. des Netzwerkes
J. Michael Fischell (Dipl.Soz.Wiss.) /Evangelische Migrations- und Flüchtlingsarbeit Bonn (EMFA) / Integrationsagentur