Politik und Geschichte

Nicht so … mit Rechts­extremisten

Kommentar von Bartosz Bzowski

Am 5. Februar 2020 kam es bei der Wahl eines neuen Ministerpräsidenten im Landtag von Thüringen zu einem unerwarteten Vorgang. Anstatt, wie erwartet, Bodo Ramelow von der Partei Die Linke für eine weitere Amtszeit zu wählen, entschieden sich die Abgeordneten mit einer Stimme Mehrheit (45:44) für den Kandidaten der FDP, Thomas Kemmerich.

Bodo Ramelow, der den Freistaat Thüringen seit 2014 als Landesvater regiert hatte, verfehlte in den ersten beiden Wahlgängen die notwendige absolute Mehrheit von 46 Stimmen. Für den dritten Wahlgang, in dem die einfache Mehrheit reichte, stellte die FDP ihren Kandidaten auf, der überraschend gewann, weil er die Stimmen der Abgeordneten der AfD bekam, die ihn statt den eigenen Kandidaten Christoph Kindervater wählten.

Bei der Landtagswahl am 27. Oktober 2019 wurde Ramelows Linke zwar stärkste Partei, aber die alte Regierungskoalition aus Linken, SPD und Grünen verfehlte mit insgesamt 42 Sitzen im Landtag die Mehrheit. Dennoch einigten sich die drei Parteien auf eine Minderheitsregierung, in der falschen Annahme, Ramelow würde im dritten Wahlgang die erforderliche einfache Mehrheit bekommen.

Was die Wahl von Thomas Kemmerich zu einem wahren Politbeben machte, war die Tatsache, dass zum ersten Mal in der deutschen Nachkriegsgeschichte ein Ministerpräsident mit den Stimmen einer rechtsradikalen Partei gewählt wurde. Ohne die Stimmen der AfD wäre die Wahl Kemmerichs unmöglich gewesen. Dass dieser die Wahl trotz dieser Tatsache annahm, sorgte für breite Empörung und Kritik am Verhalten der Abgeordneten von CDU und FDP. Dass in Thüringen mit Björn Höcke jemand an der Spitze der AfD steht, der mehrmals die nationalsozialistische Diktatur relativiert hatte und der nach einem Gerichtsurteil als Faschist bezeichnet werden darf, machte den Skandal noch unfassbarer.

Bundeskanzlerin Angela Merkel meldete sich aus Südafrika, wo sie sich auf einem Staatsbesuch befand, und sprach ein Machtwort, das Ergebnis von Thüringen müsse rückgängig gemacht werden. Nach einer Intervention des FDP-Bundesvorsitzenden Christian Lindner trat Kemmerich als Ministerpräsident zurück, er bleibt aber nach der thüringischen Landesverfassung bis zur Wahl eines Nachfolgers geschäftsführend im Amt. Sowohl CDU als auch FDP betonten die Abgrenzung zur AfD, aber auch zur Linkspartei, mit der Folge, dass sie eine Wiederwahl Bodo Ramelows auch weiterhin ablehnen. Am 10. Februar, fünf Tage nach dem Debakel von Erfurt, kündigte die CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer an, bald vom Parteivorsitz zurückzutreten und nicht als Kanzlerkandidatin zur Verfügung zu stehen. Zwar waren die Geschehnisse von Thüringen nicht der alleinige Grund für ihren Schritt, trugen aber eindeutig dazu bei.

Ganz gleich wie sich die politische Landschaft weiter entwickelt, eins steht fest: Durch das Debakel von Erfurt ist ein großer Schaden für unsere Demokratie entstanden. Die Aufwertung der AfD durch die beiden bürgerlichen Fraktionen in Thüringen führt zu der Frage, wie glaubwürdig die Abgrenzung nach rechts ist, die von Bundespolitikern in Berlin immer wieder betont wird. Daneben führt die Gleichsetzung von AfD und Linkspartei, mit der sie eine Zusammenarbeit auch weiterhin ablehnen, zu dem berechtigten Frage, warum ein überaus beliebter Landesvater wie Bodo Ramelow mit einem Rechtsextremisten wie Höcke auf eine Stufe gestellt wird. Hinzu kommt, dass einige Gruppierungen, wie die rechtskonservative Werteunion, sich offen für eine Annäherung an die AfD aussprechen.

Union und FDP sind gut beraten, der von SPD, Grünen und Linken angeregten Allianz aller demokratischen Parteien gegen die AfD beizutreten. Die Gleichsetzung von AfD und Linken ist eine gefährliche Verharmlosung des Rechtsextremismus. Der Fehler von Erfurt ist unverzeihlich und darf sich nie wiederholen, sonst wird der Schaden für die Demokratie wirklich irreparabel.

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