Politik und Geschichte

Ausländischer Wahlkampf auf deutschem Boden

Warum in einer wehrhaften Demokratie nicht alles erlaubt ist
Kommentar von Bartosz Bzowski
In der Türkei findet am 16. April eine Volksabstimmung statt, bei der über eine Verfassungsänderung abgestimmt wird, ob die Türkei eine Präsidialrepublik wird. Im Vorfeld des Referendums versuchen Vertreter der dort herrschenden AKP, um Stimmen der in Deutschland lebenden Türken zu werben. So trat am Sonntag, dem 5. März 2017, der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekçi vor seinen Landsleuten in Leverkusen sowie in Köln auf. Vor allem die Veranstaltung in einem Hotel in der Kölner Innenstadt nutzte er, um für die geplante Präsidialverfassung zu werben. Da die Umfragen im Vorfeld der Abstimmung ein knappes Kopf-an-Kopf-Rennen vorhersagen, lassen die türkischen Machthaber nichts unversucht, um die Stimmen der knapp 1,5 Millionen Landsleute in Deutschland zu gewinnen, die am Ende entscheidend sein könnten.
Mehrere deutsche Politiker kritisierten dieses Vorgehen, zumal der Vorwurf im Raum steht, in der Türkei würden systematisch Menschenrechte verletzt würden, was die Festnahme des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel beweise. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wolle mit dem Referendum nichts anderes als die Festschreibung seiner Alleinherrschaft erreichen. Die Diskussion der letzten Tage hat mittlerweile einen absoluten Tiefpunkt erreicht. Erdogan warf den deutschen Behörden Nazi-Methoden vor, nachdem mehrere Städte aus Sicherheitsgründen, wie es offiziell hieß, Auftritte türkischer Regierungsvertreter abgesagt hatten.
Auch in anderen Ländern der Europäischen Union versuchen Vertreter der türkischen Regierung, Stimmung für die geplante Verfassungsänderung zu machen. Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern hat sich für ein EU-weites Verbot von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker ausgesprochen. Diese Position ist allerdings umstritten, da ein solches Verbot durchaus ein Eingriff in die Versammlungsfreiheit wäre. So stellt sich immer wieder die Frage: „Darf man Grundrechte gegenüber denjenigen einschränken, die ebendiese missachten oder die deren Abschaffung fordern?“ Ein ähnliches Problem stellt sich immer wieder in Deutschland, wenn Demonstrationen der rechtsextremistischen Parteien wie der NPD stattfinden. Das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich ein Verbot dieser Partei abgelehnt, allerdings mit der interessanten Begründung, „Ein Erreichen der verfassungswidrigen Ziele der NPD mit parlamentarischen oder außerparlamentarischen demokratischen Mitteln erscheint ausgeschlossen“. Im Umkehrschluss könnte das bedeuten, eine rechtsextreme Partei, die durchaus über das Potenzial verfügen würde, die politische Willensbildung zu beeinflussen, könnte verboten werden.
Wie ist das mit dem Prinzip der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar? Dazu sei Artikel 21 Absatz 2 unseres Grundgesetzes zitiert: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.“ Ebenso heißt es in Artikel 18: „Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Abs. 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Abs. 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16a) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht, verwirkt diese Grundrechte. Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen“.
Nach den Erfahrungen der beispielslosen Nazi-Barbarei haben sich die Mütter und Väter des Grundgesetzes dafür ausgesprochen, eine wehrhafte Demokratie einzurichten. Diese besagt, dass nicht alles erlaubt, sondern „Keine Freiheit für deren Feinde“ das Prinzip sei.
Hinzu kommt, dass Deutschland nicht der passende Ort ist, um ausländische Wahlkämpfe auszutragen. Weder Angela Merkel noch Martin Schulz werben beispielsweise bei auf Mallorca lebenden Deutschen um deren Stimmen. Wenn noch dazu kommt, dass es, wie im Falle der Türkei, um einen Staat geht, wo jetzt schon die Grundrechte offenbar massiv verletzt werden, sollen sich unsere demokratisch legitimierten Volksvertreter nicht davor scheuen, harte Maßnahmen zu ergreifen. Was die AKP-Vertreter machen, ist eine offene Agitation gegen unsere Grundwerte, und darüber hinaus ein Aufruf an in Deutschland lebende Türken, sich nicht in Deutschland zu integrieren. Das muss und darf sich Deutschland nicht gefallen lassen. Hier ist die Bundesregierung gefordert, die Verantwortung sollte nicht auf Kommunen abgegeben werden.
Eine klare Ansage, dass ausländische PolitikerInnen hier nur für Staatsbesuche, nicht aber für Wahlkampfauftritte willkommen sind, wäre darüber hinaus auch ein Zeichen an diejenigen, die sich in der Türkei für Freiheit und Demokratie einsetzen und dabei riskieren, verhaftet und eingesperrt zu werden. Es ist die Aufgabe unserer Demokraten, ganz eindeutig Gleichgesinnte zu unterstützen und Despoten die Rote Karte zu zeigen!
 

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